Personalmanagement in Start-ups

Vor einigen Jahren durfte ich ein kleines Luzerner Start-up-Unternehmen aus der Informatikbranche als HRM-Coach bei der Einführung von HR-Prozessen begleiten. Dieses Beispiel soll aufzeigen, wie wichtig Personalmanagement in Start-ups ist.

Die Ausgangslage ­– überrumpelt vom Wachstum

Klein aber fein – so war dieses Unternehmen, das Kunden in der ganzen Schweiz mit einer besonderen Software unterstützt, zu Beginn. Wie in vielen KMU üblich, hatte die Finanzleiterin auch die Personalaufgaben dazu übernommen. Diese bezogen sich hauptsächlich auf administrative Tätigkeiten. Es bestanden keine HR-Prozesse. In weniger als 18 Monaten war diese junge Firma von 25 Mitarbeitenden auf 85 Mitarbeitende gewachsen.
HR wurde in diesem Start-up unter folgenden Themen abgehandelt: pünktliche Auszahlung des Lohns, einwandfreie sozialversicherungsrechtliche Abwicklungen und vielleicht hin und wieder ein Stelleninserat sowie die Erstellung von Arbeitsverträgen. Die Leiterin Finanzen hatte weder die Zeit noch die Kompetenz, ein professionelles Personalmanagement einzuführen. Jeder Abteilungsleiter handhabte seine personellen Fragen nach eigenem Gutdünken. Als HRM-Coach erarbeitete ich sodann die wichtigsten HR-Prozesse.

Analyse – immer zuerst

Dem Geschäftsführer war klar, dass aufgrund der erheblichen Steigerung des Personalbestands eine Professionalisierung notwendig war. Der wachsende Betreuungsaufwand verlangte nach einer Standardisierung von HR-Prozessen. Beim Kick-off-Meeting stellte ich zu Beginn die unbeliebten, aber organisatorisch wichtigen Fragen: Warum wird das HR nicht ebenfalls auf GL-Stufe angesiedelt? Warum ist das HR der Abteilung Finanzen unterstellt? Welchen Stellenwert wird zukünftig das HR in diesem Unternehmen haben?

Top down Vorgehen

Das Unternehmen entschied sich für die Professionalisierung der HR-Stelle und schuf im ersten Schritt eine Stabsstelle. Diese war führungstechnisch dem GL unterstellt. Als erstes wurde die Personalpolitik mit lang-, mittel- und kurzfristigen Massnahmen innerhalb der Geschäftsleitung erarbeitet. Diesen ersten Workshop durfte ich leiten. Ich bemerkte, wie so oft, dass diese HR-Prozesse erstmal mit einem stiefmütterlichen Blick betrachtet wurden. Erst als den Führungskräften der Mehrwert im täglichen Miteinander klar wurde, erhielt dieses Thema mehr Gewichtung.
In einem weiteren Workshop definierten die Geschäftsleitungsmitglieder gemeinsam ihre Führungsgrundsätze. Hier war der Widerstand offensichtlich, da sich vieles schon eingefahren hatte. Die Rolle des Geschäftsführers war hier besonders wichtig.
Besonders willkommen war jedoch das Thema Personalinstrumente. Diese waren eher greifbar und nachvollziehbar. Es bestand z.B. kein CI (Corporate Identity) für einheitliche Stelleninserate. Es wurde eine passende Bewerbungssoftware eruiert und eingekauft. Neutrale Anforderungsprofile pro Stelle wurden geschaffen.

Stolperstein Stellenbeschreibung – warum diese wichtig sind

Erstaunlicherweise zeigte sich ein erster grosser Stolperschein bei der Erstellung von Stellenbeschreibungen. Es wurde argumentiert, dass diese zu einem bürokratischen Verhalten und zu einer Überorganisation des Unternehmens führten. In einem kurzen Vortrag zeigte ich die Vorteile dieses Instruments auf.
Eine Stellenbeschreibung fördert die Transparenz der Organisation durch:

  • Beschreibung der AKV (Aufgaben, Kompetenz, Verantwortung)
  • Klare Ausrichtung des Arbeitsplatzes auf die Ziele des Unternehmens
  • Klare Unter- und Überstellungsverhältnisse
  • Klare Stellvertretungsregelung (aktive und passive Stellvertretung)

Eine Stellenbeschreibung ist als Instrument in einem professionellen HR-Prozess einer der wichtigsten Hilfsmittel. Es vermeidet Kompetenzschwierigkeiten, Doppelspurigkeiten und ist die Grundlage für wichtige HR- und Führungsprozesse. Hier spreche ich von der Lohnfestlegung, Personalplanung, Personaleinführung, Beurteilungsgrundlagen.
Die Geschäftsleitung beschloss zusammen mit dem Kader eine sehr schlanke Version einer Stellenbeschreibung zu erstellen. In diesem Zusammenhang entstand langsam eine Prozesslandkarte, die die wichtigsten Prozesse im Intranet darstellten. So nach und nach wurden sie dann mit Formularen und Beschreibungen komplettiert. Kurzschulungen durch die Personalverantwortliche wurden vorgenommen, Erklärungen abgegeben.

Anreizmodell: Lohn

Zusammen mit der Leiterin Finanzen wurde ein passendes Honorierungsmodell mit einem Anreizsystem entwickelt. So konnte langsam auch das Personalreglement wachsen und geschult werden. Eine erste Standortbestimmung wurde nach einem Jahr vorgenommen. An der jährlichen Strategietagung trug die HR-Fachperson erste Ergebnisse vor. Sie appellierte an die Abteilungsleiter, die sinnvollen HR-Prozesse nicht als unnötige administrative Belastung anzusehen, sondern als Unterstützungselement, welches langfristig ihrer Entlastung diene.

Die neuen HR-Prozesse

Aufgrund dieser Erkenntnis, stellte die HR-Verantwortliche die wichtigsten HR-Prozesse für dieses Unternehmen vor:
Personalbedarfsplanung
Das überlegte Planen von Neubedarf für dieses Start-up-Unternehmen machte besonderen Sinn, denn das Unternehmen wollte strukturiert weiterwachsen.
Personalgewinnung
Das Unternehmen legte fest, wie und in welcher Art Stellenvakanzen bekannt gemacht werden. Das Primärmedium Internet wurde festgelegt. Einer einheitlichen Gestaltung der Stelleninserate wurde zugestimmt. Das Vorgehen während der Selektion und bei Rekrutierungsgesprächen wurden bestimmt.
Personalentwicklung
Die Integration der neuen Mitarbeitenden erhielt in dieser Firma nun einen grossen Stellenwert. Der Entwicklungsbedarf schien erheblich, vor allem, weil eine zukünftige Fokussierung auf China gelegt wurde. Potentialanalysen, Assessments und in erster Linie Sprachenkurse wurden priorisiert.
Personaleinsatz
Eine flexible, aber klare Gestaltung der Arbeitszeit wurde gefordert. Es wurde beschlossen, dass jeder Vollzeit-Mitarbeiter bis zu 2 Tagen pro Woche Homeoffice nutzen kann. Dies natürlich in flexibler Absprache mit dem Vorgesetzten, damit der Personaleinsatz situationsbezogener geplant werden konnte.
Personalerhaltung
Die Themen Bonus, Fringe Benefits, Aus- und Weiterbildung, Prämien und Firmenwagen wurden heftig diskutiert. Die Verhinderung von Fluktuation wurde hier auch angesprochen. In diesem Zusammenhang erklärte die neue HR-Fachperson, dass sie zukünftig, Austrittsgespräche zum Feststellen der Austrittsgründe einführen will. Es sollte eine echte Arbeitgebermarke aufgebaut werden. Dies damit die Rekrutierungskosten langfristig reduziert werden und sich die Verweildauer der bestehenden Mitarbeiter erhöht.

Personalmanagement ist nur Sache des HR

Das Statement des Geschäftsführers war in diesem Moment sehr wichtig: „Die Personalverantwortliche erarbeitet die Prozesse und führt auch die Führungsinstrumente ein. Ich sehe aber auch die Mitarbeitenden in ihrer Verantwortung. Ich will sie zu Mitwirkende bei den anstehenden Veränderungsprozessen motivieren. Ihr seid die zentralen TrägerInnen des Personalmanagements. Ihr und nicht unsere Personalfachfrau setzt die Führungsgrundätze einheitlich um. Und ich gebe euch bereits jetzt einen grossen Spielraum in euren Abteilungen für individuelle Rahmenbedingungen. Diese neu erarbeiteten Standards sind unsere Guideline, um in den nächsten 5 – 10 Jahre in die Zukunft zu gehen.

HRM gut – Firma gut

Diese Schlussworte wurden verstanden und umgesetzt. Heute hat dieses Start-up-Unternehmen mehr als 200 Mitarbeitende und ist börsencodiert. Bei meinem letzten HRM-Coaching vor Ort bestätigte mir der CEO, dass die Einführung der HR-Prozesse in der starken Wachstumsphase für ihn das wichtigste Element der letzten drei Jahre war.
Er schloss mit den Worten „HRM gut – Firma gut“ .

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