Studie über die ideale Gestaltung von Jobinseraten

Ideale Stelleninserate

Das Jobinserat ist oft das erste, was potenzielle Bewerbende von einem Arbeitgeber sehen. Wie sollte ein Jobinserat idealerweise aussehen, um bei den Kandidatinnen und Kandidaten am besten anzukommen und die höchstmögliche Aufmerksamkeit zu wecken? Dieser Frage ist die Studie «Eagle Eye» in Österreich nachgegangen. Ein Interview mit Agnes Koller, Head of Scientific Research im career Institut & Verlag, über die Ergebnisse dieser Studie.

Mathias Steger: Bei der Studie «Eagle Eye» wurde die Gestaltung idealer Stelleninserate untersucht. Wie wurde dabei vorgegangen?

Agnes Koller:In Kooperation mit der Fachhochschule Wiener Neustadt haben wir eine Choice-Based Conjoint-Analyse mit 120 ProbandInnen durchgeführt. In einem ersten Schritt sollten die Testpersonen explizit angeben, welche Elemente ihnen bei Stellenanzeigen am wichtigsten sind. Anschliessend wurden ihnen jeweils zwei Jobinserate vorgelegt, die sich visuell und/oder inhaltlich minimal unterschieden, und sie mussten spontan jenes wählen, auf das sie sich eher bewerben würden. Zum Beispiel wurden die Benefits in einer Anzeige textlich beschrieben, während sie in der anderen in Form von Icons dargestellt waren. Auf diese Weise wurden auch die Merkmale Anforderungsprofil, Gehalt, Ansprechperson und Arbeitgebersiegel analysiert. Insgesamt bewerteten die Studierenden 40 Stellenanzeigen-Paare.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie?

Eagle Eye belegt, dass zwischen dem, was das Hirn denkt, und dem, was der Bauch fühlt ein himmelweiter Unterschied besteht: Bei der expliziten Befragung waren die meisten Talente überzeugt, dass Qualifikationsprofil, Aufgabenbereich und Gehalt die wesentlichste Entscheidungsgrundlage bilden – eine sehr rationale Auswahl also. Im impliziten Testverfahren stellte sich jedoch heraus: In der Jobauswahl «menschelt» es viel mehr, als manche vielleicht wahrhaben wollen. Den grössten Ausschlag in der Entscheidung für oder gegen eine Bewerbung gibt nämlich die persönliche Ansprechperson. Ähnliches lässt sich auch im Hinblick auf Arbeitgeber-Auszeichnungen feststellen: Auch wenn in der Stellenanzeige abgebildete Siegel in der expliziten Befragung nach Wichtigkeit auf dem letzten Platz liegen, so steigern sie doch implizit den Nutzen um ganze 25 %.

In der Jobauswahl «menschelt» es viel mehr, als manche vielleicht wahrhaben wollen. Den grössten Ausschlag in der Entscheidung für oder gegen eine Bewerbung gibt die persönliche Ansprechperson.

Was hat Sie bei den Ergebnissen am meisten überrascht?

Ich bin schon lange eine glühende Verfechterin der persönlichen Note auf der Karriere-Website und in Stellenanzeigen, beispielsweise indem eine direkte Ansprechperson aus dem HR für Rückfragen potenzieller Talente vorgestellt wird. Was mich jedoch wirklich überrascht hat, ist, wie viel Effekt ein Foto dieser Person hat: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand für die Stellenanzeige entscheidet, lässt sich durch diesen individuellen Touch – verglichen mit der blossen Nennung von Namen und Kontaktmöglichkeit­ – um 75 % steigern.

Was sind basierend auf diesen Ergebnissen Ihre Tipps für ansprechende Stelleninserate?

Das Anforderungsprofil sollte knapp gehalten sein, dabei jedoch möglichst aussagekräftige Schlagworte beinhalten. Die Eagle-Eye-Studie hat ausserdem ergeben, dass hinsichtlich der Benefits eine Kombination aus textlicher Beschreibung und visuellen Icons die besten Ergebnisse bringt. Und selbstverständlich darf eine Ansprechperson nicht fehlen, idealerweise mit einem Foto.

Wo sehen Sie den grössten Verbesserungsbedarf bei den Stelleninseraten?

Die Ergebnisse zeigen, dass aktuell 63 % der ArbeitgeberInnen in der Schweiz und Liechtenstein eine Kontaktperson in ihren Jobinseraten anführen. Damit liegen sie zwar zum Beispiel deutlich vor Österreich (52 %), allerdings stagniert dieser Wert seit 2016/17. Ein persönliches Bild der Ansprechperson können sich KandidatInnen überhaupt nur in 14 % der Fälle machen. Indem Talente emotional durch Stellenanzeigen nicht abgeholt werden, entgehen aus meiner Sicht viele Chancen. Zahlreiche Aufgabenbeschreibungen sind zum Beispiel auch noch immer sehr nüchtern und wenig attraktiv formuliert. Nur in jeder fünften Stellenanzeige wird die Abteilung vorgestellt. Benefits sind – als Zeichen der Wertschätzung von ArbeitgeberInnen für die Mitarbeitenden – gerade in jedem vierten Inserat ein Thema. Hier präsentieren sich viele ArbeitgeberInnen noch nicht so wertschätzend und erstrebenswert, wie sie es in der effektiven Zusammenarbeit eigentlich sind.

Die Studie hat ergeben, dass hinsichtlich der Benefits eine Kombination aus textlicher Beschreibung und visuellen Icons die besten Ergebnisse bringt.

In der Schweiz ist die Angabe des Lohns im Stelleninserat nicht verpflichtend und kommt selten vor. Wie sehen Sie das Thema Lohnangabe?

Corona hat sich nicht nur auf die Bindung vieler Menschen an ihre ArbeitgeberInnen negativ ausgewirkt und Unsicherheiten verursacht. Auch die Einstellung zu Geld hat sich verändert, insbesondere in den Generationen Y und Z – und zwar nicht aus Unbescheidenheit, sondern oft rein aus Gründen der Existenzsicherung. Das unterstreicht unter anderem die aktuelle Studie «Junge Schweizer:innen 2021» des Jugendforschers Simon Schnetzer: Geld ist neben Spass derzeit der Top-Motivator für Leistung. Lohntransparenz in Stellenanzeigen kann in vielfältiger Weise positiv auf das Arbeitgeberimage einzahlen. Eine erwartbare finanzielle Range hilft KandidatInnen, den Job bereits vor der Bewerbung noch besser einzuordnen und mit dem eigenen Kompetenz-Level zu matchen. Implizit signalisiert eine Angabe des Lohns Gehaltsverhandlungen auf Augenhöhe, Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und einen Vertrauensvorschuss der ArbeitgeberInnen bereits an BewerberInnen. Gerade in einem Setting, in dem Lohnangaben gesetzlich nicht verpflichtend sind, haben RecruiterInnen also ein sehr mächtiges Werkzeug für die Arbeitgeberpositionierung an der Hand.

Gibt es bei der idealen Stellenanzeige Unterschiede zwischen Österreich, Deutschland und der Schweiz?

Aus den BEST-RECRUITERS-Studienergebnissen lassen sich tatsächlich übergeordnete nationale Charakteristika ableiten: Zum Beispiel werden in Österreich deutlich häufiger Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten direkt im Stelleninserat aufgezeigt als in der Schweiz. Hingegen thematisieren merklich mehr Schweizer ArbeitgeberInnen Chancengleichheit in ihren Stellenanzeigen, als das in Deutschland der Fall ist. Dieses Wissen um die Marktgegebenheiten sollte in der Inseratengestaltung jedenfalls berücksichtigt werden, um den Recruiting-Erfolg zu steigern.

Möchten Sie abschliessend zu diesem Thema noch etwas hinzufügen?

Je mehr Aufwand in die Gestaltung von Jobanzeigen fliesst, umso wichtiger wird es in meinen Augen auch, dass diese Anzeigen am Ende von den richtigen Zielgruppen gesehen werden. In diesem Bereich bieten sich technisch erfreulicherweise immer mehr Möglichkeiten, zum Beispiel dank Programmatic Advertising.

Koller AgnesAgnes Koller ist seit 2014 Head of Scientific Research im career Institut & Verlag. Gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Team analysiert sie Jahr für Jahr mit viel Leidenschaft und Herzblut die Recruiting-Massnahmen der 1.300 grössten Arbeitgeber im deutschsprachigen Raum. Durch Studien wie BEST RECRUITERS oder Eagle Eye werden Potenziale, Trends und Recruiting-Initiativen aufgezeigt.

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