Lohndiskriminierungen – (k)ein Thema?!

Nicht in allen Unternehmen gibt es ein gerechtes Vergütungssystem, oft werden Mitarbeitende im Vergleich zu anderen benachteiligt. Um mehr über die Ursachen von Lohndiskriminierung herauszufinden, haben wir Clemens Becker, Vergütungsexperte bei klingler consultants, in einem Interview dazu befragt.

Mathias Steger: Wie manifestiert sich Lohndiskriminierung in der Schweiz?

Clemens Becker: Aus gesetzlicher und politischer Perspektive steht die Lohnungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern im Fokus. Lohnunterschiede zwischen In- und Ausländern werden in der Politik hingegen kaum thematisiert.  Als Vergütungsexperten haben wir von klingler consultants täglich Einblick in die Vergütungssituation und -systematik von vielen Unternehmen und Organisationen. Hierbei zeigt sich, dass Lohndiskriminierung, welche sich ausschliesslich auf der Basis des Geschlechts erklären lässt, eher selten ist. Vielmehr lässt sich Lohndiskriminierung in vielen Fällen auf ein Vergütungssystem zurückführen, bei dem das Alter- bzw. Dienstalter ein wichtiger Treiber hinsichtlich der Vergütung ist.

Was raten Sie Unternehmen, die Lohndiskriminierung unterbinden möchten?

Viele Unternehmen wollen gleich alle Löhne und Daten offenlegen. Davon raten wir allerdings ab, weil dadurch riskiert wird, dass bei Ungerechtigkeiten Mitarbeitende direkt kündigen. Um ein diskriminierendes Lohnsystem auszuschalten, bedarf es einer mittel- und langfristigen Planung. Als erstes muss eine Funktionslandschaft definiert werden, anhand derer Lohnbänder bestimmt werden können. Wenn diese Basis fehlt, hat man keinen passenden Referenzrahmen. Ein weiterer Treiber der Lohndiskriminierung ist der automatische Lohnanstieg in Abhängigkeit des Alters oder der Betriebszugehörigkeit. Der Lohn sollte bei gleichbleibender Funktion nur innerhalb des Lohnbandes steigen können, bis er das Maximum innerhalb von dieser erreicht hat.

Wer ist von Lohndiskriminierung vor allem betroffen?

Lohndiskriminierung tritt vor allem dann auf, wenn das Alter bzw. die Betriebszugehörigkeit an die Vergütung gekoppelt wird. Dann besteht grundsätzlich die potentielle Gefahr einer Diskriminierung der jüngeren Mitarbeitenden. Die Benachteiligung von Frauen ist dann fast zwangsläufig die Konsequenz; letztere sind nach wie vor deutlich häufiger als Männer mit längeren beruflichen Unterbrüchen konfrontiert (bspw. durch Abwesenheiten während der Kindesbetreuung) oder arbeiten nach der Schwangerschaft nur noch Teilzeit. Für Frauen bedeutet dies, dass sie in solchen Vergütungssystemen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen oft erst Jahre später den ihren Fähigkeiten und Kompetenzen angemessenen Lohn erhalten. Daneben gibt es weitere Komponenten einer Lohnstruktur, die sich negativ auf die interne Lohngerechtigkeit niederschlagen können. Das sind Unkenntnis und fehlendes Problembewusstsein. Ist sich die Unternehmensleitung unklar über die Bedeutung eines fairen und in sich schlüssigen Gehaltssystems, ist eine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter oder Nationalität (fast immer) die Folge. Dazu kommt ein komplexes, unübersichtliches Lohnsystem mit fehlenden Grundsätzen bei der Lohnfestsetzung. Aber auch ein komplexes Vergütungssystem mit starren Automatismen, die nach Alter oder Unternehmenszugehörigkeit ausgerichtet sind, kann viel Konfliktpotential im Hinblick auf eine faire Vergütungspraxis bergen. Schliesslich führen aber auch zu breit gefächerte Lohnbänder sowie unvollständige oder fehlende Regelungen für Arbeitnehmer, die nur auf Teilzeit arbeiten, gefährden die interne Lohngerechtigkeit.

Welchen Branchen haben besonders unter Lohndiskriminierung zu leiden?

Das kann man so nicht verallgemeinern. Die Unternehmen, die ein Senioritätsprinzip im Vergütungssystem haben, bei denen also Dienstalter der wichtigste Treiber im Vergütungssystem ist, sind grundsätzlich im Bereich Lohndiskriminierung auffälliger. Das sind eher Unternehmen, die etwas konservativer aufgestellt sind. Es kommt aber auch vor, dass solche Unternehmen die Zeichen der Zeit sehen und proaktiv darauf eingehen und die Moderne anstreben. Das hängt also mehr von der Unternehmenskultur ab und nicht von der Branche.

Wie kann man in der Schweiz überhaupt feststellen, was ein gerechter Lohn ist?

Einen schweizweiten Vergleich anzustellen ist schwierig. Viel eher kann man feststellen, ob innerhalb eines Unternehmens gerechte Löhne bezahlt werden, das heisst, wenn alle für gleiche Arbeit das gleiche Gehalt bekommen. Wenn in einem Unternehmen alle im Vergleich zum Markt schlechter verdienen, dann kann der Lohn innerhalb des Unternehmens trotzdem gerecht sein. Oft gibt es dann im Unternehmen auch keine Probleme.

Sie zertifizieren Unternehmen für Lohngerechtigkeit. Wie gehen Sie dabei vor?

Im Bereich Lohngerechtigkeit führt klingler consultants quantitative Analysen über das gesamte Unternehmen mithilfe eines vom Bund zur Verfügung gestellten Tools durch. Damit wird eine Bestandaufnahme gemacht und geschaut, ob es eine Abweichung zwischen den Geschlechtern gibt. Wenn die Maximaldifferenz von 5% zwischen Mann und Frau eingehalten ist, dann liegt das im Rahmen der Lohngerechtigkeit. Es gibt also eine Toleranz für gewisse Ausreisser. Über das gesamte Unternehmen hinweg sollte aber diese Toleranzschwelle nicht überschritten werden.
C.Becker
Clemens Becker ist Vergütungsexperte bei klingler constultants. klingler consultants bietet Dienstleistungen in den Bereichen Vergütungsstrategie, Marktpositionierung und HR-Management an. Neben Gehaltserhebungen und -vergleichen erarbeitet klingler consultants neue Vergütungssysteme, Lösungen zur Leistungsbemessung und unterstützt Unternehmen bei der Optimierung ihrer Personalinstrumente und -prozesse.

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