Innovatives Arbeitsmodell: die 4-Tage-Woche

Flexible Arbeitsmodelle mit Möglichkeiten für Teilzeit, Jobsharing und Homeoffice setzen sich mehr und mehr durch. Anfang 2022 hat ein Schweizer Kleinunternehmen die 4-Tage-Woche für ihre Mitarbeitenden eingeführt. Die Glutform Rüegg AG ist spezialisiert auf Cheminée- und Ofenbau. In einem Interview erzählt uns Martin Ritler, Geschäftsleiter und Inhaber, wie die Idee entstand und was das Fazit der Firma nach den ersten Wochen mit dem neuen Arbeitsmodell ist. Sie erfahren ausserdem, wie das 4-Tage-Woche-Modell aussieht, was Vor- und Nachteile dieses Arbeitsmodells sind und erhalten Tipps aus erster Hand für eine ähnliche Umsetzung in Ihrem Unternehmen.

Mathias Steger: Seit wann gibt es bei euch die 4-Tage-Woche und wie kam es zur Idee dazu?

Martin Ritler: Das Modell der 4-Tage-Woche haben wir seit dem 1. Januar 2022. Die Idee entstand, weil wir etwas verändern mussten im Betrieb, um neue Fachkräfte anzuziehen und weniger Ausfälle bei den aktuellen Mitarbeitenden zu haben. Aufgrund des Booms der alternativen Energien und den vermehrten Investitionen ins Eigenheim gibt es mehr Arbeit für uns als Cheminée- und Ofenbauer*innen. Der erste Gedanke war dann, mehr zu arbeiten. Doch bei einem Handwerksbetrieb rächen sich Überstunden schnell, wer zu viel arbeitet, wird müde und macht Fehler. Also kamen wir auf die Idee der 4-Tage-Woche: weniger arbeiten, aber dafür besser.

Wie wurde das umgesetzt?

Die Geschäftsleitung hat sich zusammengesetzt, die Idee besprochen und die Umsetzung der 4-Tage-Woche dann den Mitarbeitenden kommuniziert. Bisher hatten wir eine 41-Stunden-Woche, das heisst, wir haben an fünf Tagen etwas über acht Stunden gearbeitet.Neu arbeiten die Mitarbeitenden auf dem Bau 36 Stunden pro Woche, also neun Stunden an vier Tagen. Der fünfte Tag ist dann frei. Wir haben das so organisiert, dass ein Teil des Teams von Montag bis Donnerstag und der zweite Teil von Dienstag bis Freitag auf der Baustelle ist. So ist die ganze Woche jemand vor Ort. Im Büro sind wir wegen des Ausstellungsraums auch ein Verkaufsort, deshalb setzten wir da auf flexible Arbeitszeiten und geben wir allen Mitarbeitenden dort fünf Stunden Zeit pro Woche zur freien Verfügung. Unter den Stellvertretenden müssen sie sich selbst organisieren, wann sie diese Zeit nehmen möchten. Im Büro und Verkauf arbeiten also alle 4,5 Tage.

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Was waren die besonderen Herausforderungen bei der Umsetzung?

Herausfordernd ist vor allem die neue Art der Planung und Einteilung der Mitarbeitenden und die Kommunikation mit der Kundschaft. Wir mussten lernen, intelligenter zu planen, damit unsere Produkte für die Kund*innen nicht teurer werden und den Mitarbeitenden weiterhin den gleichen Lohn bezahlt werden kann. Zudem haben wir unseren Mitarbeitenden nicht einfach fünf Stunden Freizeit geschenkt, sondern diese an bestimmte Bedingungen geknüpft. So müssen sie zum Beispiel immer vier Tage am Stück arbeiten, um dann den fünften Tag frei zu haben. Wer krank ist oder aus irgendeinem Grund einen Tag ausfällt, muss dann auch am eigentlich freien fünften Tag arbeiten kommen. Ausserdem möchten wir, dass die Mitarbeitenden diese Zeit zur Erholung nutzen und nicht auch an ihrem freien Tag besonders viel körperlich arbeiten. Dieses Modell verlangt ein Umdenken: Es ist nicht mehr nur Arbeit gegen Geld, sondern ein Geben und Nehmen, das auf Augenhöhe diskutiert werden muss.

Ist es jetzt leichter, neue Mitarbeitende zu finden und nutzt ihr die 4-Tage-Woche, um euch als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren?

Ja, wir kommunizieren unser neues Arbeitsmodell nach aussen und es ist schweizweit auf grosses Medieninteresse gestossen. Zudem konnte ich in den letzten Wochen bereits zwei neue Ofenbauer auf den 1. März anstellen. Mindestens einer davon hat sich bewusst für unsere Firma entschieden, weil wir die 4-Tage-Woche haben.

Wir wollen mit der 4-Tage-Woche auch einen neuen Anreiz für den Beruf und die Stellen bei uns im Betrieb schaffen.

Was sind die Vorteile einer 4-Tage-Woche?

Ich spüre eine steigende Eigenverantwortung bei den Mitarbeitenden. Sie engagieren sich mehr bei der Arbeit und es motiviert sie, dass sie fünf Stunden mehr frei pro Woche haben, um sich zu erholen und etwas für sich zu tun. Das Team ist motiviert und auch von der Kundschaft erhalten wir positives Feedback.Zudem wollten wir mit der 4-Tage-Woche auch einen neuen Anreiz für den Beruf und die Stellen bei uns im Betrieb schaffen. Es ist nicht einfach, Handwerker*innen zu finden, die auch langfristig auf dem Beruf bleiben. Dank eines freien Tags mehr können sich die Mitarbeitenden vom Bau auch körperlich besser erholen und wir hoffen so auch auf weniger Ausfälle und mehr Chancen, um neue Fachkräfte und Lernende zu finden.

Siehst du auch Risiken bei der 4-Tage-Woche?

Eine solche Veränderung ist immer ein Risiko. Ich sehe diese aber als eine Investition in die Mitarbeitenden, was ich sehr wichtig finde. Wir arbeiten nun seit Anfang Jahr so und werden Ende Jahr Bilanz ziehen. Wenn die Zahlen gar nicht aufgehen, dann werden wir eine neue Lösung suchen müssen. Bis jetzt sind aber alle sehr begeistert und die ganze Firma gibt ihr Bestes, damit dieses Arbeitsmodell funktioniert.

Glaubst du, dass alle Unternehmen eine 4-Tage-Woche einführen könnten?

Die Mitarbeitenden haben heute eine andere Einstellung gegenüber der Arbeit als vor 50 Jahren. Deshalb müssen wir etwas verändern und ihnen etwas Neues bieten. Ich glaube daher, dass die 4-Tage-Woche für viele Unternehmen ein interessantes Modell sein könnte.  Nachdem wir unser neues Arbeitsmodell nach aussen kommuniziert haben, hat mich eine Elektronikfirma mit etwa 80 Mitarbeitenden kontaktiert, um die 4-Tage-Woche nach unserem Beispiel auch in ihrem Betrieb umzusetzen.

Was sollten Unternehmen beachten, welche die 4-Tage-Woche einführen möchten?

Ich denke, es gibt kein festgelegtes und für alle gültiges Modell, deshalb sollten Arbeitgebende auch nicht zu viel planen. Sobald ein Modell eingeführt wurde, können die Bedingungen dann immer noch angepasst werden. Zudem sollten die Firmen ihren Mitarbeitenden bewusst machen, dass diese zusätzliche Freizeit zu Erholung dienen sollte. Am fünften Tag sollte also nicht geputzt oder einer anderen körperlich anstrengenden Arbeit nachgegangen werden. Alle Mitarbeitenden sollten diese Zeit für sich nutzen und vielleicht etwas unternehmen, für das sie sonst im Alltag keine Zeit gehabt hätten. So wird dieser freie Tag nicht gleich zu einer Gewohnheit, die nicht diese Zufriedenheit erzielt.

Martin RitlerMartin Ritler ist Geschäftsleiter und Inhaber der Glutform Rüegg AG,  eines Handwerksbetriebs in Dietlikon, Kanton Zürich, der spezialisiert ist auf Wohnraumfeuerung. In der Firma arbeiten zurzeit 40 Mitarbeitende entweder auf dem Bau oder im Büro und Ausstellungsraum. Das Unternehmen hat am 1. Januar 2022 das Modell der 4-Tage-Woche eingeführt, das bei Mitarbeitenden und Kundschaft bisher sehr positiv aufgenommen wurde und auch schweizweit für Interesse sorgt.

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