Gibt es die richtige Kultur für Agilität im Unternehmen?

Unternehmenskultur

Auf dem Weg zu organisationaler Agilität ist die Unternehmenskultur gleichzeitig grösstes Hemmnis und grösster Stellhebel. Doch wie wird die Kultur zum Stellhebel? Die Kultur einer Organisation ist so individuell wie ein Fingerabdruck, aber es lässt sich ein Muster extrahieren, das allen (erfolgreichen) agilen Einheiten oder Organisationen gemein ist.
Ein Gastbeitrag von Dr. Stefanie Puckett
Unternehmenskultur ist keine beliebig formbare Knetmasse. Aber sie ist irgendwann entstanden und – wenn man genau hinschaut – entwickelt sie sich stetig. Die Unternehmenskultur ist ein sich Verfestigen von Lernerfahrungen in Form von Prinzipien, Werten, Denk- und Arbeitsansätzen. Ändern sich Lernerfahrungen, ändert sich auch die Kultur, wenn auch zögerlich. Um eine zukunftsfähigere Kultur zu entwickeln, braucht es daher neue Lernerfahrungen. Hierzu benötigt es neue Möglichkeiten, Inspiration und Mut.

Wie sieht eine zukunftsfähige Unternehmenskultur aus?

Forschung und Praxis sind sich in einem einig: Organisationen, die heute im Markt bestehen wollen, müssen anpassungsfähig, also agil, sein. Hierzu gehören Flexibilität und Schnelligkeit in der Reaktion.  Organisationen brauchen zudem den ständigen Blick nach aussen, das Ohr am Markt, um Trends und aufkommende Veränderungen, sei es beispielsweise in Kundenbedürfnissen oder technologischen Möglichkeiten, frühzeitig zu erkennen. Man spricht von organisationaler Agilität. Eine zukunftsfähige Organisationskultur muss diese zumindest unterstützen. Wie die günstigen kulturellen Rahmenbedingungen zu gestalten sind, habe ich in Form eines Agilen Kulturcodes – dem TEC-Model beschrieben.

Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Agilität

Doch bevor wir uns einem Modell widmen, frage ich Sie: Bei welchen privaten Vorhaben waren Sie in der Vergangenheit oder sind Sie aktuell besonders erfolgreich unterwegs? Was kennzeichnet diese Vorhaben? Oft sind es die folgenden Merkmale, die wir nach einigem Nachdenken identifizieren. Meist sind es Vorhaben, die für uns bedeutsam sind (Purpose), deshalb erleben wir sie als erfüllend. Die Rahmenbedingungen, die uns zum Erfolg verhelfen, lassen sich in der Regel in drei Kategorien einteilen:
Erstens sind wir in dem entsprechenden Thema recht gut informiert. Wir wissen in der Regel recht genau, warum unser Vorhaben wichtig ist, was es bewirken soll und welche Auswirkungen es hat. Wir wissen auch, woran wir den Fortschritt erkennen. (Transparenz)
Zweitens agieren wir in diesen Vorhaben recht selbstbestimmt. Wir treffen unsere Entscheidungen selbst und bestimmen, wie wir wann vorgehen und setzen unsere Prioritäten und Ziele selbst. Wir werden kreativ und gestalterisch. (Empowerment)
Drittens sind wir nicht alleine. Es gibt Personen in unserem Netzwerk, die uns inspirieren, ermutigen oder uns mit Rat und Tat zur Seite stehen. (Kollaboration)

Der Code agiler Unternehmenskultur

Jetzt kennen Sie bereits die drei Pfeiler agiler Organisationskultur des TEC-Modells: Transparenz (Transparency), Empowerment und Kollaboration (Collaboration). Doch wie gestalten diese sich konkret in der Arbeitswelt?
Transparenz im Unternehmen fördert Vertrauen. Und spart Zeit. Überflüssig ist es, ständig Vermutungen darüber zu wälzen, was die wahre Absicht der letzten unternehmerischen Entscheidung war oder zu mutmassen, an welchen Zahlen der Chef gemessen wird oder was die strategische Agenda der Nachbarabteilung ist. Auch muss man nicht länger rätseln, was der Kunde denkt und wie er reagiert oder wie die eigene Arbeit eigentlich wahrgenommen wird, welchen Unterschied sie macht und wie erfolgreich man gerade agiert.
Vor allem aber bietet Transparenz allen Mitarbeitenden die Chance, nicht nur mitzureden. Sie ermöglicht, selbst strategische und taktisch kluge Entscheidungen zu treffen. Durch Feedback können Mitarbeitende sich selbst steuern und ihre Arbeit optimieren und priorisieren. Mitarbeitende können Ideen entwickeln, die relevant sind, da sie hierzu alle Informationen haben und Zugang zu Datenquellen, aus denen neue Erkenntnisse gezogen werden können.
Drei Arten der Transparenz kristallisieren sich als notwendige Bestandteile heraus:

  • Transparenz mit Informationen und Daten
  • Transparenz von Ergebnissen und Wirkung der eigenen Arbeit
  • Transparenz von Plänen und Absichten

Empowerment als zweiter Pfeiler der agilen Unternehmenskultur autorisiert und befähigt schliesslich die Mitarbeitenden, basierend auf ihren durch die Transparenz gewonnenen Kenntnissen und Einsichten zu agieren. Aus Ausführenden werden damit Gestalter. Wenn Sie an ihre eigene Arbeit denken, fallen Ihnen bestimmt Gedanken wie folgende ein: „Natürlich könnte ich effektiver arbeiten, wenn …“; „Wenn man mich fragt, ich hätte da schon eine Idee, wie wir den Kunden stärker begeistern könnten …“; „Ich bringe einiges an Erfahrung, Wissen und Kompetenzen mit, von denen mein Arbeitgeber noch mehr profitieren könnte, wenn ich …“. Empowerment bedeutet aber auch, das tun zu können, wofür das Herz schlägt und seinen Job so zu machen, dass er Spass macht.

Empowerment bedeutet frei nach dem Motto zu agieren: Don‘t wait till you are asked – speak up! An don`t ask, do! Dabei hat auch Empowerment drei wesentliche Facetten, die gegeben sein müssen:

  • Freiheit zum Adaptieren und Kreieren. Zum Meister der eigenen Arbeit werden und auch als solcher agieren können. Teams, die sich selbst organisieren und managen. Weniger Vorschriften, mehr Wahlfreiheit und Selbstbestimmung, auch in Aspekten wie Gestaltung der Arbeitszeit, des Arbeitsortes oder auch der Wahl der Arbeitsmethode.
  • Empowerment zum (Selbst-)Führen. Freiheit zu haben bedeutet, Dinge richtig tun zu können. Es geht darum, nicht nur selbst zu bestimmen, wie man arbeitet, sondern auch festzulegen und selbst zu entscheiden, welche Tätigkeit, welche Idee und welche Entscheidung den grössten Mehrwert liefert. Teams, die sich selbst Ziele setzen, die eigene Ausrichtung bestimmen und sich selbst strategisch steuern.
  • Ownership mit der Tendenz zum Handeln. Eigene Ideen verfolgen und End-to-End Verantwortung für ein Ziel übernehmen. Zum Unternehmer im Unternehmen werden.

Kollaboration/Zusammenarbeit braucht es als dritten Pfeiler, um Kunden neuartige, innovative und vernetzte Lösungen anzubieten, um Trends zu erkennen, Chancen durch neue Technik und Digitalisierung aufzuspüren und sich abzeichnende Kundenbedürfnisse zu erkennen, braucht es nicht nur viele Augen und Ohren am Markt, es braucht den Austausch, die Kombination von Informationen, Perspektiven und Erfahrungen, es braucht Zusammenarbeit in der Lösungsfindung.
Um dann neue Ideen auch schnell umsetzen zu können und als agile Organisation schnell und effektiv auf veränderte Bedingungen und sich entsprechend wandelnde strategische Prioritäten reagieren zu können, braucht es Flexibilität. Flexibilität auf beiden Seiten: Auf Seiten der Organisation muss Zusammenarbeit über Silos hinweg und in flexiblen Netzwerken möglich sein. Kraft muss gebündelt werden in temporären Task Forces. Auf Seiten der Mitarbeitenden muss die Bereitschaft bestehen, Mehrwert zu schaffen und das eigene Potenzial uneingeschränkt einzubringen. Egal, für welche Abteilung, für welches Team oder für welches Projekt oder in welcher Rolle der Beitrag geleistet wird.
Und nicht zuletzt zeichnet sich die zukunftsfähige Organisation durch ihre Lernfähigkeit aus – Reflektieren, Lernen, das Gelernte Umsetzen (Anpassen). Am meisten und besten lernen wir gemeinsam. Wachstum ist eine Wir-Aufgabe.
Drei Aspekte der Kollaboration sind dabei Bedingung:

  • Zusammenarbeit über Austausch und Teilen
  • Zusammenarbeit über Beiträge und Flexibilität
  • Zusammenarbeit über gemeinsames Lernen und Wachsen

Muss jetzt alles geändert werden?

Braucht ein solcher Kulturwandel einen Mindset-shift? Müssen sich alle Mitarbeitenden ändern? Eigentlich nicht. Denken Sie an das Beispiel oben – agil sind wir eigentlich alle. Jetzt müssen dies nur noch am Arbeitsplatz gelebt werden (dürfen).
Stefanie PuckettDr. Stefanie Puckett ist Diplom Psychologin und arbeitet als Director bei metaBeratung in München. Sie arbeitete global für mehrere Unternehmensberatungen, in Management- und globaler Rolle für eine Fortune 500 Firma, und führte ihr eigenes Unternehmen. Mit dem Thema agile Transformation setzt sie sich als Beraterin, Executive Coach und Buchautorin auseinander. Sie ist Autorin des Fachwerks „Der Code agiler Organisationen. – Das Playbook für den Wandel zur agilen Organisationskultur“ (2020) und weiterer Bücher wie „Agiles Führen – Führungskompetenzen für die Agile Transformation“ (2018).

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