Lohntransparenz mit Rollenmodellen – am Beispiel eines KMU

Lohnetransparenz Gimelli

In den letzten Monaten haben wir bereits mehrere Male über Unternehmen berichtet, die Lohntransparenz eingeführt haben – etwa das Kinderspital Zürich mit Lohnangaben im Stelleninserat oder das Online-Magazin Republik, wo alle Mitarbeitenden gleich viel verdienen. Es freut mich, dass sich aufgrund unserer Berichterstattung ein weiteres Unternehmen meldete, welches Lohntransparenz eingeführt hatte, dieses Mal in Form von Rollenmodellen.
Die Gimelli Engineering AG ist ein Kleinunternehmen mit rund 20 Mitarbeitenden in Zollikofen im Kanton Bern. Es handelt sich um einen Dienstleister im Bereich Produktentwicklung, dazu gehören Engineering-Arbeiten und Prototypen-Bau. Aktuell ist Gimelli auch besonders im Bereich Robotik tätig. Das Personal besteht mehrheitlich aus Ingenieuren, Konstrukteuren und Projektleitern. Susanne Straub ist bei Gimelli Mitglied der Geschäftsleitung und für Finanzen und das Personalwesen verantwortlich: «Ich sehe mich aber vor allem als Dienstleister für unsere Mitarbeitenden und versuche, ihnen so viel Arbeit wie möglich abzunehmen, damit sie produktiv arbeiten können. Rekrutierung ist zudem auch ein kleiner Teil und dürfte in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen.»
Frau Straub erzählt mir, wie es zu Lohntransparenz gekommen ist. Das Thema sei ursprünglich 2013 bei einem Mitarbeitergespräch aufgekommen, bei dem Gimelli als Feedback erhielt, dass das Lohnsystem sehr intransparent sei. Nach einem Inhaberwechsel konnte sich Gimelli dann 2017 voll und ganz diesem Thema annehmen. Anfang 2018 wurde dann das sogenannte Rollenmodell eingeführt, bei dem die Mitarbeitenden nicht mehr individuell nach Ausbildung oder Alter, sondern nach der ihnen zugewiesenen Rolle verdienen. Manche Rollen werden aufgrund der Grösse der Firma von nur einem Mitarbeiter belegt und andere wiederum von sechs Mitarbeitern. «Es gibt für alle Rollen einen vordefinierten Lohn. Alleine Fachkenntnisse und die Verantwortung im Projekt haben einen Einfluss auf die jeweilige Rolle», erklärt mir Straub dieses Modell. Um beim Umstieg auf dieses Modell niemanden zu benachteiligen, wurde eine einmalige Lohnanpassung für alle vorgenommen. «Jeder Aufstieg oder Rollenwechsel oder auch jeder neue Mitarbeiter, der in das System einsteigt, hat einen vordefinierten Rollenlohn».

Jede Rolle ist mit einem festen Lohn gekennzeichnet. Der Lehrling weiss bei uns, was der Geschäftsleiter verdient und umgekehrt.

Susanne Straub, Gimelli Engineering AG

Jeder weiss, was der andere verdient

Die jeweiligen Rollen mit dem vordefinierten Lohn sorgen für völlige Lohntransparenz. Die Lohnliste mit den fertigen Löhnen ist im firmeninternen Intranet zu finden und für alle Mitarbeitenden einsehbar. «Jede Rolle ist mit einem festen Lohn gekennzeichnet. Der Lehrling weiss bei uns, was der Geschäftsleiter verdient und umgekehrt.»

Keine klassischen Lohnverhandlungen

Lohnverhandlungen im klassischen Sinn gibt es bei Gimelli also nicht mehr. «Wir diskutieren nicht über den Lohn, sondern über die Rolle. Wir haben bei einer Bewerbung eine bestimmte Vorstellung davon, welche Rolle wir besetzt haben möchten.» Es könne aber durchaus sein, dass aufgrund dessen, was ein Bewerber bieten kann, dieser dann für eine andere Rolle passt und sich der Lohn daher ändere.

Bewerbungstage statt individuelle Bewerbungsgespräche

Noch etwas fällt bei diesem KMU besonders auf. Es gibt dort keine einzelnen Bewerbungsgespräche mehr, sondern so genannte Bewerbungstage, bei denen 4 bis 5 Kandidaten Lohntransparenz Gimellieingeladen werden, um an einem Kundenprojekt zu arbeiten, bei dem die Kandidaten sich mit den anderen Abteilungen austauschen sowie Rückfragen beim Projektleiter einholen müssen. «Hard Skills sehen wir sowieso im Lebenslauf, diese brauchen wir nicht bei individuellen Bewerbungsgesprächen abzufragen», schildert Frau Straub. Bei den Bewerbungstagen gehe es dann hauptsächlich um die Soft Skills. «Die Bewerbenden müssen zeigen, dass sie mit den anderen Kandidaten kooperieren können und den Kunden und das Endergebnis in den Vordergrund stellen. Wir essen auch zusammen Mittag, wo ein Austausch stattfinden sollte.» Am Ende gibt es dann ein Feedbackgespräch mit den Mitarbeitenden über die Kandidaten und es kommt zu einer gemeinsamen Entscheidung, wer rekrutiert werden soll.
Abschliessend beantwortet uns Susanne Straub noch ein paar Fragen im Interview

Wie hat die Umstellung auf das Rollenmodell funktioniert?

Wir haben uns Unterstützung bei einem externen Experten, der das System bereits selbst eingeführt hatte, geholt. Ausserdem waren die Mitarbeitenden bei der Ausarbeitung des Systems stark miteinbezogen. Wir hatten aus jeder Hierarchiestufe jemanden für das Projekt dabei, der die restlichen Mitarbeitenden dieser Lohnkategorie repräsentierte.

Jetzt wird nicht mehr darüber diskutiert, ob der Kollege mehr oder weniger verdient, sondern nur noch darüber, ob die aktuelle Rolle des Mitarbeiters gerechtfertigt ist.

Susanne Straub, Gimelli Engineering AG

Gab es auch negatives Feedback?

Unser Lohnsystem soll fair und transparent sein. Da die Mitarbeitenden bei der Entwicklung bereits selbst involviert waren, war die Akzeptanz sehr hoch. Jetzt wird nicht mehr darüber diskutiert, ob der Kollege mehr oder weniger verdient, sondern nur noch darüber, ob die aktuelle Rolle des Mitarbeiters gerechtfertigt ist.

Wenn man bei Gimelli aufsteigen oder einen höheren Lohn bekommen möchte, dann muss man in eine andere Rolle befördert werden. Wie gelingt das?

Vor allem durch Eigeninitiative. Wir hatten anfangs festgehalten, dass Rollenaufstiege nur einmal im Jahr möglich sind, haben dann aber schnell gemerkt, dass das eine Falle ist. Wenn ein Mitarbeiter eine gute Idee hat und sie für das nächste Jahr auf den Markt bringen möchte, wollen wir nicht solange abwarten – das wäre auch gegen unsere Philosophie. Deswegen sind Rollenaufstiege bei uns jetzt jederzeit möglich.

Was halten Sie von der Idee, den Lohn auch im Stelleninserat anzugeben?

Ich habe kein Problem, unser Lohnsystem auch nach aussen zu tragen, möchte mich gleichzeitig aber nicht damit einschränken. Wenn man einen Lohn angibt, entspricht dieser einer Rollenstufe und schränkt damit ein, dass sich keine Kandidaten bewerben, die eher in eine höhere oder tiefere Rollenstufe passen würden.

Haben Sie noch weitere Schritt in Richtung Lohntransparenz geplant?

Mir ist es ein Anliegen, auch andere Firmen dazu zu ermutigen, einen Schritt in Richtung Lohntransparenz zu gehen. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass moderne Unternehmen so langfristig Erfolg haben. Und mit diesem Leitgedanken bin ich auch gerne bereit, andere Unternehmen dabei zu unterstützen. Bei uns hat der Prozess, bis wir den Schritt angegangen sind, 4,5 Jahre gedauert. Ich glaub es braucht Zeit bis Unternehmen bereit sind, sich diesem Thema zu stellen.

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