"Religiöse Konflikte am Arbeitsplatz sollten unbedingt angegangen werden, damit die Produktivität nicht darunter leidet"

Die kulturelle und religiöse Vielfalt wird in der Schweiz grossgeschrieben. Vor allem am Arbeitsplatz treffen manchmal Welten aufeinander – und richtig damit umzugehen ist nicht immer einfach. Deniz Yüksel, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Fachstelle für Integrationsfragen vom Kanton Zürich, zeigt auf, wie man Konflikte lösen und die Vielfalt in Unternehmen sogar als Vorteil nutzen kann.
Benjamin Seiler: In der Schweiz leben viele verschiedene Religionen und Kulturen friedlich miteinander. Wie schaffen das Arbeitgeber mit verschiedenen Religionen am Arbeitsplatz?
Deniz_Yueksel_StehenDeniz Yüksel: Grundsätzlich sollte man gelassen mit den verschiedenen Hintergründen umgehen und keine Angst vor unterschiedlicher Herkunft und Religion haben.Gerade der Arbeitgeber hat die Chance – obwohl er dafür nicht in der Pflicht steht – die religiöse Integration nachhaltig zu unterstützen. Von Vorteil ist, wenn die Arbeitgeber die Rechtslage bezüglich Religionspraxis am Arbeitsplatz kennen.
Inwiefern?
Es gibt den Grundsatz der Rechtsgleichheit und das Diskriminierungsverbot, um Arbeitnehmende vor Diskriminierungen  aufgrund ihrer Herkunft oder Religion zu schützen. Wichtig ist, die Belegschaft gleich zu behandeln.Problematisch wäre, wenn beim Einstellungsgespräch gefragt wird: „Sie haben einen muslimisch klingenden Namen – Wie sieht das bei Ihnen mit Beten aus?“ Man muss die Leute nicht direkt auf die Religionspraxis ansprechen, denn Religiosität muss nicht zwingend einen Einfluss auf den Arbeitsalltag haben. Nichtsdestotrotz sollte man ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden haben – auch die religiösen.

«Als Chef sollte man den Bedürfnissen der Mitarbeitenden zuhören – auch den religiösen»

Dennoch gibt es Arbeitgeber, die die Religion am Arbeitsplatz verbieten wollen. Um neutral zu bleiben, würde das Verbot für alle Religionen gelten. Wäre das Diskriminierung?
Das ist sehr umstritten – obwohl es eine Gleichbehandlung der Religionen wäre. Dennoch sind solche Verbote nur scheinbar neutral und bergen trotzdem eine gewisse Tendenz – beispielsweise, wenn man über Weihnachten den Betrieb pausiert. Da müsste man sich überlegen, ob das wirklich noch Gleichbehandlung darstellt.

Werte nicht nur theoretisch definieren, sondern auch leben

Viele Vorgesetzte würden gerne die verschiedenen Kulturen und Religionen integrieren – sind sich aber unsicher, wie sie das anstellen sollen.
Dafür gibt es verschiedene Kurse im Bereich Diversity Management oder interkulturelle Coachings – sowohl für Vorgesetzte als auch für die Belegschaft, damit eben diese Werte nicht nur theoretisch auf dem Papier existieren, sondern auch in das Unternehmen eingeführt und gelebt werden. Eine Idee für den Anfang wäre, einen interreligiösen Kalender zu erstellen, in dem die verschiedenen Feiertage von den einzelnen Religionen vorgestellt werden.
Wenn wir schon von Feiertagen sprechen – Wie sollen diese von einem Arbeitgeber gehandhabt werden?
Es macht sicher Sinn, die Arbeitnehmenden auf die Feiertage anzusprechen, wobei man alle adressieren und nicht auf gläubig wirkende Personen reduzieren sollte. Eine verbreitete Lösung nennt sich Swap Holiday, bei der eine Art Tausch von religiösen Feiertagen stattfindet. Beispielsweise würden bei einem Swap Holiday Muslime die Arbeit an Weihnachten übernehmen, während Christen im Gegenzug am Opferfest arbeiten. So gewinnen beide Seiten.

Eine Kopfbedeckung ist kein Problem – eine komplette Verschleierung hingegen schon

Neben den Feiertagen haben die Religionen eigene Symbole: die Kippa bei Juden, das Kopftuch bei Muslimen und das Kreuz bei den Christen.
Da gibt es viele unterschiedliche Handhabungen. Grundsätzlich sind religiöse Symbole nicht verboten. Ausser wenn der Arbeitgeber begründen kann, dass es problematisch ist, können Einschränkungen gemacht werden. Zum Beispiel Hygienevorschriften, bei dem Schmuck abgezogen werden muss. Unproblematisch sehe ich die Arbeit mit einer Kopfbedeckung, obwohl das Tragen von Kopftüchern sehr umstritten diskutiert wird. Auch bei der Interaktion mit Menschen ist eine Kopfbedeckung kein Hindernis. Anders sieht das natürlich mit einem Gesichtsschleier aus, wo die Person nicht mehr zu erkennen ist.
Wie sollen Vorgesetzte reagieren, wenn sich zwei Arbeitskollegen aufgrund der Religion in die Haare kriegen?
Konflikte sollten unbedingt angegangen werden, damit die Produktivität nicht darunter leidet. Normalerweise ist bei so einem Konflikt die Religion nur ein Vorwand für ein anderes Problem – wobei das oftmals politische oder persönliche Differenzen sind. Da hilft es, mit offenem Interesse nochmals nachzufragen, was denn wirklich das Problem sei. Dafür zieht man am besten schlichtende Personen bei, die sich mit den Religionen auskennen. So können die Auseinandersetzungen beigelegt und das Betriebsklima harmonisch bleiben.
Deniz_Yueksel

«Als Unternehmer möchte man erfolgreich sein – für das ist ein weltoffenes Betriebsklima sehr unterstützend»

Religion bedeutet oftmals auch Identität. Und mit unterschiedlichen Religionen entstehen auch unterschiedliche Identitäten – Was bedeutet das für die Corporate Identity?
Ich würde das nicht mal nur auf Religion reduzieren. Letztendlich sind verschiedene Religionen eine von vielen Komponenten einer Identität, die wiederum das Unternehmen prägen und aufwerten. Mit einer ausgeprägten Diversität kann ein Unternehmen verschiedene Perspektiven einnehmen und ganz andere Lösungen finden, als das mit einer homogenen Belegschaft möglich wäre. Ich würde sagen, kulturelle Diversität zu fördern ist eine Bereicherung für das Unternehmen – vor allem auch, weil man Einblick in verschiedene Kulturen erhält und so neben dem lokalen auch im globalen Markt einen Vorteil hat. Der vielseitige Blick kann durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein – dafür ist ein weltoffenes Betriebsklima sehr unterstützend.
Wie ist das, wenn man als Christ in der Mittagspause Schweinefleisch isst und sich ein Muslim daran stört? Soviel Toleranz zwischen den Kulturen muss doch möglich sein!
Natürlich! Wichtig ist, dass beide Seiten Toleranz zeigen und man nicht aus einem Mücken einen Elefanten macht. Wenn sowieso im Unternehmen schon auf andere Religionen Rücksicht genommen wird, dann darf ein Entgegenkommen erwartet werden.


Als Fachstelle für Weiterbildungen, die sich mit religiösen Spannungsfeldern befasst, empfiehlt Yüksel im Kanton Zürich das Zürcher Institut für Interreligiösen Dialog (ZIID). Dieses bietet Unternehmen Beratungen und Schulungen zu interkulturellem Management an.

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