Die HSG und die Werbeagentur Farner haben dieses Jahr die Studie «Top Management zwischen Digitalisierung und Arbeitswelt 4.0» publiziert, in der sie zeigen, wie die vierte industrielle Revolution auch die Arbeitswelt und das Talent Management verändert. Was das Alter dabei für eine Rolle spielt und wie das in der Praxis aussieht, klären wir im zweiten Teil des Interviews mit dem Senior Principal Consultant von Namics, Thomas Renken.
Process Flow für den Wandel zur Arbeitswelt 4.0 entscheidend
Mit der vierten Industriellen Revolution, der Industrie 4.0, verändern sich auch die Arbeitsformen, wie im Artikel über die Transformation zur Arbeitswelt 4.0 erläutert haben. Dabei spielen zwei Seiten eine zentrale Rolle: die Digitalisierungs- und die New Work Transformation-Seite. Auf beiden Seiten müssen jedoch unterschiedliche Massnahmen ergriffen werden.
Digitalisierungs vs. New Work Transformation
Auf der Digitalisierungsseite müssen die Technologien im Unternehmen implementiert sein – und auch genutzt werden. Das bedeutet, dass das Human Ressource Management (HRM) technologische Anwendungen nutzt und dass digital kommuniziert wird. Ein weiterer Treiber sind die digitalen Kompetenzen von Management und HRM. Auf der New Work Transformation-Seite ist die gelebte Unternehmenskultur ein entscheidender Faktor. So hilft es, wenn neue Arbeitsformen durch das Management gelebt werden bzw. wenn sie mit gutem Beispiel vorangehen und das HRM als Change Agent agiert. Zusätzlich sind Trainings für die Mitarbeiter mit Fokus Teambuilding und zielgerichteter Kommunikation wichtig, damit die New Work Transformation gelingt.
Nutzung von neuen Arbeitsformen: digitale Technologien top, Homeoffice flop
Eben weil die Digitalisierung bereits weit fortgeschritten ist, ist es nicht verwunderlich, dass die Nutzung von digitalen Technologien bei der Arbeit an erster Stelle steht, danach folgen flexible Arbeitszeiten, projekthaftes Arbeiten und die Zusammenarbeit über digitale Plattformen. Interessanterweise wird Homeoffice im Verhältnis zum Angebot wenig genutzt, wie die Studie festhält (siehe Grafik unten). Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass das Selbstbewusstsein bei Mitarbeitenden noch zu schwach ausgeprägt ist, um die Initiative für Homeoffice zu ergreifen. Am schwächsten ausgeprägt sind die individualisierte Arbeit und virtuelle Teams. Das Schlusslicht bildet Desk Sharing.
Neue Arbeitsformen werden hauptsächlich von jüngeren Mitarbeitenden genutzt
Die Forscher zeigen in der Studie auf, dass neue Arbeitsformen häufiger von jungen Angestellten und flexibel aufgebauten Organisationen genutzt werden. Wenn die Belegschaft jedoch älter und die Aufbauorganisation starr ist, werden neue Arbeitsformen weniger genutzt. Doch auch hier ist die Vorbildfunktion des Managements entscheidend: Ist die Geschäftsleitung Vorreiter und arbeitet in den neuen Arbeitsformen, steigt auch die Wahrscheinlichkeit der Nutzung durch die Mitarbeitenden.
Wie die Nutzung und die User der neuen Arbeitsformen bei der Digitalagentur Namics aussieht, erklärt uns Thomas Renken, Senior Principal Consultant, nachfolgend im Interview.
Ben Seiler: Wie stark beeinflusst das Alter der Belegschaft die neuen Arbeitsformen?
Thomas Renken: Das hat bestimmt einen Einfluss. Mit meinen 49 Jahren habe ich andere Ansprüche als junge Mitarbeiter, die frisch von der Uni kommen und diese neuen Arbeitsformen brauchen. Die jungen Menschen benötigen viel Freiheit und flache Hierarchiestrukturen gepaart mit einer starken Kultur, um sich mit dem Unternehmen zu identifizieren. Bei mir sieht das anders aus. Ich nutze zum Beispiel das Homeoffice eher selten, da ich einfach die Kollegen um mich herum zur Inspiration brauche. Aber das ist ja das Schöne bei Namics: Jeder kann sich seine Arbeitsform zusammenstellen.
Welche Arbeitsformen werden bei euch am meisten genutzt?
Das lässt sich schwer sagen, weil es immer darauf ankommt, in welchem Stadium sich das Projekt befindet und wie stark man im Projekt mit dem Kunden zusammenarbeitet. Intensiv genutzt werden Homeoffice und der Work-everywhere Ansatz, wo Mitarbeitende während der Zugfahrt arbeiten können.
Was braucht es noch, um im Talent Management den Wandel in die Arbeitswelt 4.0 zu schaffen?
Neben der Technologie, dem Arbeitsumfeld, dem Place-to-work und den Tools braucht es die Menschen, die das auch annehmen und leben. Bei uns kommt zusätzlich noch der externe Aspekt des Kunden hinzu. Als Dienstleister wollen wir nicht nur das klassische Wasserfallprojekt machen, bei dem man lange konzipiert und dann nochmal anderthalb Jahre entwickelt, sondern wir versuchen mit agilen Ansätzen zusammen mit dem Kunden die Projekte umzusetzen.
Es braucht die Menschen, die die neuen Arbeitsformen annehmen und leben
Wie werden die Mitarbeiter in die Gestaltung von neuen Arbeitsformen miteinbezogen?
Bei uns gibt es das Konzept der Quartiere. Das heisst, unsere Standorte sind aufgeteilt in kleinere Teams. In Frankfurt gibt es beispielsweise drei Quartiere mit insgesamt 120 Mitarbeitern. Jedes Quartier hat einen Quartiermeister – was auch wieder eine Chance ist, um Verantwortung zu übernehmen. Dieser Quartiermeister sorgt dafür, dass sich die Kollegen wohlfühlen. Sie nehmen die Vorschläge von Mitarbeitenden entgegen, leiten sie weiter oder setzen sie direkt um. Untereinander tauschen sich die Quartiermeister der einzelnen Standorte aus und stimmen sich miteinander ab und teilen ihre Erfahrungen. So bleiben wir nah an den Bedürfnissen unserer Mitarbeiter und können uns immer weiter verbessern.
Welchen Ratschlag können sie einer Firma geben, die noch am Anfang der Transformation steht?
Vertraut den Mitarbeitern, lebt eine transparente Kultur und schafft die technologischen Möglichkeiten. Die neuen Arbeitsformen müssen vom Management vorgelebt und vertreten werden. Letztendlich sollte es ja so sein, dass man sich als Mitarbeiter sicher ist, was erlaubt ist. Diese Sicherheit lässt sich nur aufbauen, in dem man als Mitarbeiter spürt, was in der Kultur angemessen ist – und was nicht. Das schafft man, indem es durch das Umfeld, die Vorgesetzten und die Arbeitskollegen vorgezeigt wird. Gerade in Unternehmen, in denen es schon lange traditionell anders ist, spielt das für den Wandel eine grosse Rolle.
Fazit
Obwohl die Digitalisierung eine wichtige Rolle im der Arbeitswelt 4.0 spielt, braucht es auch Anstrengungen für eine kulturelle Veränderung in der New Work Transformation. Was sich von der Studie in der Praxis widerspiegelt ist, dass die Nutzung von neuen Arbeitsformen stark altersabhängig ist. Im Gegensatz zur Studie wird jedoch in der Praxis die Arbeitsform Homeoffice sehr stark genutzt, zumindest bei Namics. Die Studie und Praxis sind sich jedoch einig, dass eine Transformation zur Arbeitswelt 4.0 nur gelingen kann, wenn das Management die Arbeitsformen vorleben.