Lohntransparenz: Einblick bei der Fondation Le Manoir

Interview mit Marc-Olivier Kolly, HR-Verantwortlicher

Was hat Sie dazu bewogen, die Löhne in Ihren Stelleninseraten anzugeben?

Wir haben die Lohntransparenz eingeführt, um unsere Rekrutierungsprozesse effizienter zu gestalten. Sie ermöglicht es uns, Zeit bei der Analyse von Bewerbungen zu sparen, die Vorstellungsgespräche zu vereinfachen und die Attraktivität unserer Stellen zu steigern – insbesondere für Bewerbende aus anderen Kantonen, die mit unserem Vergütungssystem weniger vertraut sind.

In einem angespannten Arbeitsmarkt ist es entscheidend, die Aufmerksamkeit bereits im Jobinserat zu gewinnen. Gleichzeitig bietet sich dabei die Gelegenheit, unsere Werte der Fairness und Transparenz zu leben.

Welche Ziele verfolgen Sie mit der Lohntransparenz?

Unser Hauptziel war es, unnötige Zeitverluste sowohl für die Personalverantwortlichen als auch für die Bewerbenden zu vermeiden. Schlecht geführte Lohnverhandlungen führen oft zu Spannungen oder Enttäuschungen. Da wir von Anfang an klare Grundlagen schaffen, werden die Vorstellungsgespräche effizienter und angenehmer.

Wie wurde die Lohntransparenz umgesetzt?

Wir befinden uns noch in der Einführungsphase. Seit etwas mehr als einem Jahr testen wir die Lohntransparenz schrittweise und sammeln dazu Feedback in unseren Management-Reviews.

Zu Beginn haben wir jene Positionen identifiziert, für die eine Lohntransparenz in Frage kam. Anschliessend haben wir uns mit den Führungskräften ausgetauscht, um Gründe für die geplante Einführung der Lohntransparenz zu erläutern. Dabei war es nicht unser Ziel, alles umzuwälzen, sondern den Wandel schrittweise einzuführen und die Auswirkungen im Verlauf des Rekrutierungsprozesses zu beobachten.

Für den Bereich Pflege und Betreuung haben wir uns für eine Angabe der Lohnskala des Kantons Freiburg entschieden. Dies stellt einen echten Vorteil dar, um Profile aus anderen Kantonen anzusprechen, auch für die Positionen der mittleren Führungsebene.

Bei den betrieblichen Funktionen ist es etwas komplexer: Das Salär hängt nicht nur von der Erfahrung ab, sondern auch vom Budget, den Weiterbildungen, spezifischen Verantwortungsbereichen oder möglichen Prämienmodellen. Daher ist es schwierig, eine genaue Gehaltsspanne festzulegen, insbesondere im oberen Bereich.

Bei höheren Führungskräften ist das Thema noch sensibler, insbesondere aufgrund der Budgetauswirkungen und der höheren Erwartungen an die Einarbeitung (Kenntnis des lokalen Systems usw.).

Waren dafür interne Anpassungen erforderlich?

Ja, teilweise. Da die Führungskräfte ihre Rekrutierungen relativ frei gestalten, haben wir individuelle Gespräche geführt, um unser Vorhaben zu besprechen. Ziel war es, dass sie diese Massnahme unter optimalen Bedingungen testen können, dabei jedoch im Einklang mit unseren internen Praktiken bleiben.

Haben Sie bereits konkrete Ergebnisse beobachtet?

Auch wenn uns noch statistische Auswertungen fehlen, haben wir festgestellt, dass die beseitigte Unklarheit bezüglich des Salärs die Gespräche erleichtert. Sie verlaufen ruhiger und sind weniger zeitaufwändig.

Bei der Time-to-hire hat sich bisher wenig geändert. Die Vorstellungsgespräche jedoch sind flüssiger, da der angespannte Moment entfällt, in dem alle darauf wartet, dass der oder die andere das Thema Gehalt anspricht.

Was nehmen Sie aus dieser Erfahrung mit und welche Tipps können Sie geben?

Wir hätten die angebotenen Lohnspannen wahrscheinlich früher klarer festlegen sollen, um Missverständnisse zu vermeiden. Insgesamt wird der Ansatz jedoch gut aufgenommen und entwickelt sich nach und nach zu einem festen Bestandteil unserer HR-Praktiken. Wir gehen vorsichtig vor, aber es geht in die richtige Richtung.

Mein Tipp: Trauen Sie sich, Neues auszuprobieren. Transparenz ist keine Revolution, sondern eine kluge Anpassung. Und selbst wenn Sie noch unsicher sind, ist das nicht schlimm – jeder Schritt ist eine Gelegenheit, zu lernen und Ihre HR-Praktiken zu optimieren.

Für öffentliche Institutionen ist das ein klarer Vorteil: Die Lohntabellen existieren bereits. Warum also diese nicht nutzen, um den Kandidat:innen mehr Sicherheit zu geben? Für private Unternehmen ist es schwieriger, da jede Ausgangslage unterschiedlich ist. Entscheidend ist es meiner Meinung nach, eine glaubwürdige Ausgangsbasis und mindestens eine Orientierungshilfe festzulegen. Es ist nicht notwendig, das gesamte Paket anzugeben. Der Rest – Prämien, Benefits, Entwicklungsmöglichkeiten – hängt von Ihrer internen Politik ab.

Es sollte vermieden werden, eine zu hohe Gehaltsspanne zu veröffentlichen, ohne diese wirklich zu erfüllen. Das kann zu Frustrationen und Enttäuschungen führen. Wichtig ist vor allem, dass die externe Transparenz mit den internen Praktiken übereinstimmt, um negative Konsequenzen zu vermeiden.

Welche Rolle spielen Jobportale bei der Lohntransparenz

Ein Jobportal kann Lohntransparenz aktiv fördern, indem es Lösungen anbietet, bei denen die Angabe des Lohns empfohlen wird, aber nicht zwingend vorgeschrieben wird. Zum Beispiel durch die Integration spezieller Felder zur Angabe einer Gehaltsspanne oder eines Mindestlohns – idealerweise ergänzt durch Infoboxen oder konkrete Beispiele.

Auch integrierte Benchmarking-Tools, die auf Marktdaten basieren, könnten den Arbeitgebern ermöglichen, sich zu orientieren, ohne die Lohninformationen selbst aufwendig recherchieren zu müssen.

Darüber hinaus könnten auch Filter angeboten werden, mit denen gezielt nur Stellenanzeigen mit Lohnangaben angezeigt werden. Das würde Unternehmen, die sich für Lohntransparenz entscheiden, aufwerten.

Zudem könnten regelmässige Berichte zur Performance von Stelleninseraten mit oder ohne Gehaltstransparenz (z. B. Klickrate, Qualität der Bewerbungen) auch skeptische Unternehmen überzeugen.

Wenn Portale solche Best Practices auf verständliche und flexible Weise fördern, tragen sie dazu bei, ein Umdenken anzustossen – im Einklang mit dem Rhythmus und den Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens.

Was würden Sie Rekrutierenden erwidern, die befürchten, dass die Lohntransparenz vor allem jene Kandidat:innen anzieht, die nur am Geld interessiert sind und nicht das nötige Engagement mitbringen?

Engagement oder Motivation lassen sich nicht im Lebenslauf ablesen – sie zeigen sich im Gespräch, während der Probezeit und oft erst mit der Zeit. Lohntransparenz hilft jedoch, Bewerbungen nach einem zentralen Kriterium zu filtern: den passenden finanziellen Rahmenbedingungen. Wenn jemand zu einem Vorstellungsgespräch erscheint, hat er oder sie diese erste Hürde bereits genommen – und damit bleibt mehr Raum für die wirklich wichtigen Themen: Sinn, Werte und gemeinsame Perspektiven.

Glauben Kandidat:innen automatisch, dass sie den angegebenen Höchstlohn erhalten werden?
Bei Stellen im Bereich Pflege und Betreuung verstehen die Kandidat:innen schnell, dass das Gehalt durch eine kantonale Lohnskala festgelegt ist – mit wenig Verhandlungsspielraum. Im Gespräch erläutern wir jeweils, dass nur objektive Kriterien wie anerkannte Abschlüsse oder Berufserfahrung Einfluss auf die Einstufung haben.

Bei den betrieblichen Funktionen stellt sich die Frage weniger. Dort gilt der angegebene Betrag als Mindestlohn. Das setzt allerdings voraus, dass man gut vorbereitet ist und klar kommuniziert, welche.

Was möchten Sie uns abschliessend mit auf den Weg geben?

Trauen Sie sich, Neues auszuprobieren. Beginnen Sie im Kleinen, mit einigen ausgewählten Inseraten. Beobachten Sie die Ergebnisse und machen Sie Anpassungen. Lohntransparenz ist kein starres Prinzip, sondern ein praktisches Werkzeug für eine gezieltere Rekrutierung. Und falls es nicht wie geplant funktioniert, ist das kein Misserfolg – sondern eine Gelegenheit, Ihre Strategie weiterzuentwickeln und anzupassen, ohne aufzugeben.

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