Internationale Rekrutierung in Grossbritannien: "Wir benötigen 2 Mio. zusätzliche Ingenieure in den nächsten 10 Jahren."

MikeMike Booker, Direktor von totaljobs.com steht uns Rede und Antwort zur internationalen Rekrutierung in Grossbritannien. Wie sich der britische Arbeitsmarkt wandelt, warum Bewerber mit Berufserfahrung Abstriche machen müssen und wo England mit Fachkräftemangel zu kämpfen hat, erfahren Sie in diesem Interview.

Mike Booker, könnten Sie sich kurz vorstellen und uns Ihre Rolle bei totaljobs.com beschreiben?
Ich bin Direktor von zwei Fachbereichen bei totaljobs.com, und zwar «International» und «Öffentlicher Sektor/Staat». Meine Rollen in diesen beiden Bereichen sind sehr unterschiedlich.

  • Im internationalen Bereich bieten wir unseren Kunden einen breiten Zugang und detaillierte Informationen zur Personalsuche in 133 Ländern. Über unseren Partner «The Network» haben die Kunden Zugriff auf die weltweit führenden Jobportale im Internet. Sie können sich sicher vorstellen, dass durch den allgemeinen Globalisierungstrend und den zunehmenden Fachkräftemangel in vielen Branchen immer mehr Unternehmen in einem grossen geografischen Radius nach Talenten suchen. Ausserdem wollen sie aus Kostengründen die Einstellungsverfahren und Vertragsangelegenheiten zentralisieren.
  • Unser Geschäft im öffentlichen Sektor wächst ebenfalls in hohem Tempo. Durch den staatlichen Sparkurs muss für wichtige Personalbesetzungen auf Online-Rekrutierungstools zurückgegriffen werden. Diese sind kosteneffizienter, und zudem ist erkennbar, aus welcher Quelle ein Bewerber von dem Stellenangebot erfahren hat. Eine weitere interessante Entwicklung im öffentlichen Sektor ist, dass die Funktionen «Vertragsmanagement» und «Einkauf» immer vielfältiger werden und an Bedeutung gewinnen, da sich zunehmend vom reinen Dienstleister zum einflussreichen Bevollmächtigten wandeln.

Wie gross ist die Erwerbsbevölkerung in Grossbritannien?
Im 1. Quartal 2013 waren in Grossbritannien insgesamt rund 30 Mio. Menschen beschäftigt. Dies ist ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorquartal. Die Arbeitslosenquote bei den über 16-Jährigen betrug 7.8%. Interessanterweise waren gleichzeitig 503‘000 offene Stellen ausgeschrieben, das ist die höchste Zahl seit dem 4. Quartal 2008. Jeder sechste Arbeitssuchende in Grossbritannien ist im Übrigen auf totaljobs.com registriert.
Was waren in den letzten fünf Jahren die grössten Herausforderungen im britischen Arbeitsmarkt?
Das Profil der Berufseinsteiger im britischen Arbeitsmarkt wandelt sich. Die Gründe dafür sind die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit in der Eurozone und das geringe Wirtschaftswachstum. Im 1. Quartal 2013 ist das BIP um 0.3% gestiegen, und wir haben jetzt schon seit 18 Monaten so gut wie kein Wachstum. Die stärksten Wachstumsimpulse im 1. Quartal lieferte der Dienstleistungssektor, während die leichten Zuwächse im produzierenden Gewerbe durch ein Minus von 2.5% im Bausektor neutralisiert wurden.
Durch die steigenden Studiengebühren in England und Wales und die Ausweitung staatlich subventionierter Ausbildungsprogramme ändert sich das Profil der Berufsanfänger – und damit auch die Vorstellungen der Unternehmen, wie sie die besten Talente für sich gewinnen können.
Bewerber mit Berufserfahrung müssen aktuell gewisse Abstriche bei den Gehaltsvorstellungen und beim Anfahrtsweg zur Arbeit machen. Ein steigendes Stellenangebot gibt es vor allem im Teilzeitbereich, da dies den Unternehmen mehr Flexibilität bietet. Gleichzeitig sind immer mehr Beschäftigte gemessen an ihrer Qualifikation und Erfahrung für ihren aktuellen Job überqualifiziert. Daher wird es sicher viel Bewegung im Stellenmarkt geben, wenn erst die Wirtschaft wieder richtig in Schwung kommt.
Welche Arten von Stellen sind eher schwierig zu besetzen und welche einfach?
Laut den Ergebnissen des totaljobs.com Barometers im 1. Quartal 2013 ist der britische Arbeitsmarkt relativ statisch. Problematisch sind weiterhin die MINT-Qualifikationen – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – da es in diesen Sparten nur wenige Bewerber gibt und der Zugang zu potenziellen Kandidaten schwierig ist. Dagegen haben wir zum Glück einen sehr starken IT- und Technologiesektor in Grossbritannien, was unter anderem dem «Silicon Fen» zu verdanken ist.
In welchen anderen Ländern gehen britische Unternehmen am meisten auf Personalsuche?
Zunächst gibt es natürlich eine enge Verbindung zu allen anglophonen Ländern. Daneben entwickelt sich aber auch ein reger Austausch mit wichtigen europäischen Staaten wie Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden.
Welche anderen Tools und Kanäle ausser Jobportalen nutzen Stellensuchende am meisten?
Stellensuchende registrieren sich in unserer CV-Datenbank, damit die Recruiter von Unternehmen sie gut finden können. Bei totaljobs.com registrieren sich jeden Monat über 77‘000 neue Bewerber, und insgesamt enthält unsere Datenbank über 4.8 Mio. aktive Lebensläufe von registrierten Kandidaten. Unternehmen beschäftigen immer mehr interne Recruitingmitarbeiter, um Talente direkt zu kontaktieren.
Bei über 90% aller Stellensuchen auf totaljobs.com werden von den Kandidaten Schlüsselbegriffe verwendet. Daher müssen Unternehmen besonders auf die richtige Formulierung ihrer Stellenanzeigen achten und geeignete Schlüsselbegriffe festlegen, um die besten Talente auf sich aufmerksam zu machen.
Nicht zuletzt sind Mobilgeräte ein immer wichtigerer Kanal für die Stellensuche. Schon heute greift jeder dritte Arbeitssuchende über ein Mobilgerät auf totaljobs.com zu.
Welche Recruiting-Tools würden Sie Schweizer Personalfachleuten empfehlen, um in Grossbritannien erfolgreich Mitarbeiter zu gewinnen?
Zusätzlich zu den bereits genannten Möglichkeiten ist speziell bei totaljobs.com zu beobachten, dass 40% aller Stellenbewerbungen eine direkte Reaktion auf E-Mail-Kampagnen sind – zusätzlich zu Stellenanzeigen, die in Grossbritannien der wichtigste Kanal sind. Auch hier ist es wieder sehr wichtig, gute Schlüsselbegriffe festzulegen, um den passenden Rücklauf zu erhalten. Für die meisten Stellen bietet eine Kombination aus Employer Branding und Kandidatensuche über die CV-Datenbank einen sehr effektiven Marktzugang.
Auf welchem Weg sind Ingenieure und Bankspezialisten in Grossbritannien am besten zu erreichen? Welche Kanäle würden Sie dafür empfehlen?
Grundsätzlich eignen sich dazu die oben beschriebenen Methoden, kombiniert mit Branding- und Traffic-generierenden Kampagnen. Über die CV-Datenbank kann man ganz gezielt nach Kandidaten mit bestimmten Universitätsabschlüssen, Erfahrungsprofilen oder aus bestimmten Unternehmen suchen. Der Maschinenbausektor hat im letzten Jahr um ein Drittel zugenommen, ebenso wie das Bewerberinteresse bzw. die Zahl der über totaljobs.com gelaufenen Bewerbungen. Man erwartet, dass in den nächsten zehn Jahren 2 Mio. zusätzliche Ingenieure in Grossbritannien benötigt werden. Die Gehälter im Maschinenbausektor sind höher als in den meisten anderen Branchen, sowohl für Berufseinsteiger als auch für Kandidaten mit Berufserfahrung.
Nur im Bau-, Chemie- und Luft- und Raumfahrtsektor ist die Personalnachfrage etwas geringer, hier herrscht grosse Konkurrenz um die wenigen offenen Stellen. Genau das Gegenteil gilt für Elektrotechnik-, Maschinenbau- und Erdöl/Erdgas-Ingenieure. Hier sollte die Nachfrage stark zunehmen, ebenso wie im Energiesektor und in den Sparten Informatik, Digital Arts & Games sowie Special Effects.
Auch in anderen Bereichen gab es einen interessanten Anstieg des Stellenangebots, wie z.B. im Rechnungswesen mit 54% mehr Stellenanzeigen, während im Bankensektor die Vakanzen um 16% zurückgingen. Regional betrachtet gab es in London den stärksten Rückgang von Stellenangeboten im Vergleich zum Vorjahr. Daher ist der Konkurrenzdruck hier besonders stark: in London bewerben sich auf eine offene Stelle im Durchschnitt über 25 Kandidaten.
Aus diesem Grund sollten Unternehmen dringend die oben genannten Best-Practice-Methoden berücksichtigen, um effektive Recruiting-Kampagnen zu fahren. Gleichzeitig müssen Sie die Grösse des Kandidatenpools sowie die potenzielle Reichweite aller Produkte kennen, die Sie verwenden möchten. Das hilft Ihnen, ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erzielen.
Sie haben es bereits angesprochen – Welche Rolle spielen Employer Branding und die Rekrutierung über Mobilgeräte oder soziale Medien in Grossbritannien?
Employer Branding wird immer wichtiger, um potenzielle Kandidaten auf sich aufmerksam zu machen. Über Standort, Branche und Berufsgruppe sowie geeignete Schlüsselbegriffe können Sie Ihr Zielpublikum genau eingrenzen. Wie schon erwähnt, wird der Mobile-Kanal immer wichtiger: schon heute läuft ein Drittel des Traffics auf totaljobs.com über Mobilgeräte, und ihr Anteil ist in nur einem Jahr um 85% gestiegen. Der Traffic über Mobilgeräte ist auch geschäftsrelevant, weil inzwischen der gesamte Bewerbungsprozess auf Mobilgeräten zur Verfügung steht. Auf unserer Mobilplattform von totaljobs.com bieten wir inzwischen Branding-Optionen an, damit Recruiter auch über diesen Kanal potenzielle Kandidaten erreichen können.
Soziale Medien spielen auch eine Rolle im britischen Markt. Bewerber nutzen sie allerdings eher zur Information, anstatt ihre Stellensuche komplett auf diesen Kanal zu verlagern.
Grossbritannien ist ein komplexer Rekrutierungsmarkt. Es gibt hier Zeitungen als wichtiges Medium für Stellenanzeigen, zahlreiche Jobportale von Nischenanbietern und Generalisten, soziale Medien und in geringerem Umfang auch Personalberatungen. Dabei sind Jobportale bei weitem das beliebteste Medium zur Stellensuche und Bewerbung in Grossbritannien. Auf globaler Ebene ist das ganz ähnlich: in den CV-Datenbanken aller Partner unseres internationalen Netzwerks sind insgesamt 248 Mio. Kandidaten registriert. Das ist mehr als die Anzahl von Einträgen in Professional Networks. Und nach meiner Erfahrung kommt hinzu, dass Recruitern die detaillierten Informationen in Lebensläufen lieber sind als die vergleichsweise kurzen Profile in einem Professional Network.

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